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Mit Sternenstaub gesegnet – Kritik Sven Ratzke

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Ratzke Starman 01 - Foto Henneke WetzerDer Entertainer Sven Ratzke bringt mit seinem neuen Programm „Starman“ David Bowie auf die Cabaret-Bühne

von Axel Schock

BERLIN – Einfach so vom Himmel gefallen sei er, splitternackt und mitten in der Nacht. Und zufälligerweise direkt neben einem Häuflein sorgsam zusammengefalteter Klamotten. Nicht irgendwelche aus der Altkleidertonne, sondern echtes niederländisches Design.

Der hochgestellte Kragen lässt Sven Ratzke nun aussehen wie ein Chamäleon. In den paillettenbesetzten Schulterpolstern spiegelt sich sein feuerrotes, hochtoupiertes Haar. In seinem knallengen, tief ausgeschnittenen Kostüm wirkt Ratzke keine Minute verkleidet, sondern geradezu authentisch.

Genauso wahrhaftig klingen diese abstrusen Geschichten aus seinem Munde. Mögen sie auch noch so unglaublich erscheinen. Geschichten wie die von seinem angeblichen Himmelssturz, von Weißen Löchern und von Zeitreisen zu verrucht-verrauchten Tanzhöhlen im Swinging London der Sixties und nach New York aufs Dach des Chelsea Hotels, wo ihn ein Hase namens Andy Warhol in Alice’s Wunderland entführt haben soll, bevor es weitergeht nach Hollywood zu Elisabeth Taylor und deren geheimnisvollem privaten Wachsfigurenkabinett.

Nein, man muss sich um Sven Ratzke wohl keine Sorgen machen. Der Deutsch-Niederländer war keineswegs auf einem schlechten Drogentrip. Wenn Ratzke von seinen absonderlichen Erlebnissen berichtet, tut er das bei klarem Verstand. Und er ist dabei so betörend und eindrücklich, dass ihm das Publikum jede noch so abseitige Wendung abnimmt, ihm süchtig an den Lippen hängt und glaubt, den Wind auf dem Hoteldach zu spüren, das schmelzende Wachs auf der Hofeinfahrt von Miss Taylor zu riechen und den Londoner Dauerregen zu hören.

Ratzke Starman 02 - Foto Henneke WetzerDiese mäandernde Traumerzählung ist der rote Faden oder vielleicht mehr noch ein Gegengewicht zum Eigentlichen dieses neuen Programms: den Songs von David Bowie. Genauer gesagt, aus dessen früher Ziggy-Stardust- und Major-Tom-Ära: unverwüstliche Hits wie „Time“, „Ashes to Ashes“, „Space Oddity“ und „Boys Keep Swinging“.

Ratzkes Band unter der Leitung des Pianisten Charly Zastrau (mit Florian Friedrich am Bass und Haye Jelelma an den Percussions) lässt das Tipi-Zelt beben. Spätestens seit seiner ebenso eigenwilligen wie überzeugenden Performance in John Cameron Mitchells One-Woman-Musical „Hedwig and the Angry Inch“ weiß man, welche Rockröhre in Ratzke steckt. Auch bei diesen Bowie-Nummern gibt er den perfekten Glamrock: lasziv, mit androgyner Attitüde, mit wildem, aber stets punktgenau gesetztem Gestus. Vor allem aber: ohne auch nur den Anschein zu geben, hier als Look-A-Like mit Bowie konkurrieren zu wollen.

Ratzke will sich nicht in Bowie verwandeln. Dessen Name fällt während des ganzen Abends nicht ein einziges Mal. Vielmehr verleibt er sich dessen Songs ein und sucht die Überschneidungen mit seiner eigenen Bühnen-Persona und den eigenen künstlerischen Ausdrucksmitteln. Das geht bis hin zu eigenen Songs, die so klingen, als handle es sich dabei um unbekannte B-Seiten rarer Bowie-Singles. Doch je mehr sich Sven Ratzke von all dem löst, was wir klanglich mit David Bowie verbinden, umso mehr tritt er selbst in den Vordergrund: Dann etwa, wenn sich im vollbesetzten Zelt statt des satten Gitarrensounds ein sphärischer Klangteppich ausbreitet und den Songmeilenstein „Heroes“ mit gebremstem Tempo in eine luzide Ballade verwandelt. Dann ist Ratzke ganz bei sich und ein wahrlicher „Starman“.

©2015 BonMoT-Berlin
Fotos: Henneke Wetzer

Sven Ratzke & Band: „Starman“
weitere Vorstellungen am 17. und 18.10.2015 im Tipi am Kanzleramt
28.-31.10.2015 im Schmidt Theater, Hamburg
2016 Tourtermine u.a. in München, Köln, Osnabrück und Stuttgart sowie in Österreich und in der Schweiz – alle Termine HIER auf der Homepage

Das gleichnamige Album zur Show ist bei Buzz Records erschienen.



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